Copyright: privat
Bastian Niemeier (21 Jahre) ist selbständiger Filmemacher und Student. Er hat schon während der Schulzeit mit seinen YouTube Kanal “Diabetes ohne Grenzen” begonnen Videos zu drehen. Derzeit studiert er Medienproduktion in Detmold und ist für verschiedene Produktionen vor und hinter der Kamera aktiv. Im Interview erzählt er von seinem Leben mit Typ-1-Diabetes und warum er K1DS ARE HEROES unterstützt.
Das war tatsächlich ein glücklicher Zufall. Ich sollte eigentlich gerade in die siebte Klasse kommen und war am Ende der Sommerferien zur Kontrolle beim Arzt, weil ich mir den Finger in der Autotür eingeklemmt hatte. Meine Mutter erwähnte dort, dass ich in letzter Zeit ca. 4 bis 5 Liter Wasser täglich trinken würde und sehr häufig auf die Toilette müsste. Erstaunlicherweise war mir das selbst gar nicht als ungewöhnlich aufgefallen - ich hatte mich auch nicht krank oder schlapp gefühlt. Daraufhin musste ich eine Urinprobe abgeben zur Zuckermessung. Kurz darauf saßen wir auf einmal im Zimmer eines Diabetologen, der uns gesagt verkündete, dass ich Typ-1-Diabetes habe. Eine halbe Stunde später habe ich mir dann die erste Insulinspritze gegeben. Es ging Schlag auf Schlag. Dementsprechend kam diese Diagnose für mich sehr plötzlich und erschrecken. Erst abends realisierte ich, dass das ein ziemlich großer Einschnitt in mein Leben ist. Ich wusste erstmal nicht genau, wie ich damit umgehen sollte. Bei meinem Kinderarzt, der glücklicherweise auch eine Diabetes-Schwerpunktpraxis war, konnte ich eine ambulante Schulung machen. Das hat mir den Einstieg sehr erleichtert.
Zunächst habe ich mich vor meine Klasse gestellt und von der Diagnose erzählt. Ich habe erklärt, dass ich wegen meinem Diabetes zwischendurch manchmal im Unterricht etwas essen oder trinken muss oder mir Insulin spritzen muss. Meine Klassenkameraden haben darauf sehr vorbildlich reagiert, haben zugehört und waren alle super interessiert. Einige wollten auch selbst mal ihren Blutzucker mit meinem Messgerät messen. Im Nachhinein denke ich, dass es eine sehr gute Entscheidung war von Anfang an offen damit umzugehen. Allgemein bin ich bisher immer nur auf sehr interessierte Menschen gestoßen. Mit Vorurteilen oder Ablehnung aufgrund des Diabetes hatte ich bisher zum Glück nicht zutun.
Ja, da gibt es schon jemanden: Daniel Schnellting. Er ist mehrfacher Deutscher Meister im Sprint und hat auch an mehreren Weltmeisterschaften teilgenommen. Auf YouTube gab es ein Video mit ihm, eigentlich eine Werbung für ein Messgerät. Im Video erzählt er von seinem Training mit Typ-1-Diabetes und seiner Diagnose. Dass er trotzdem seinen Leistungssport fortsetzen konnte, hat mich damals enorm inspiriert und ermutigt. Er war damit ein Vorbild für mich und hat mir gezeigt: auch mit Diabetes geht’s weiter. Das Video habe ich mir mehrmals angeschaut. Als ich ihn das erste Mal treffen durfte war ich auch ein bisschen aufgeregt (lacht).
Wie würdest Du deinen Alltag mit Typ-1-Diabetes in drei Emojis beschreiben?
Bis vor ein paar Jahren hätte ich ganz klar geantwortet: Nein, es gibt absolut keine Einschränkungen. Das ist auch immer noch mein Lebensmotto. Allein der Name meines YouTube Kanals “Diabetes ohne Grenzen” sagt das aus. Nichtsdestotrotz betrachte ich das heute etwas realistischer: ein paar kleine Einschränkungen oder Grenzen gibt es schon. Beispielsweise stelle ich es mir sehr schwierig vor, mit Typ-1-Diabetes auf den Mond zu fliegen. Das soll aber natrlich nicht heoßen, dass es unmöglich ist. Persönlich in meinem Alltag als Filmemacher sind manche Sachen etwas komplizierter mit Diabetes. Insbesondere bei einer die Unterzuckerung geht die Konzentration flöten. Dann kann ich nicht mehr so gut Arbeiten, wie ich gerne würde. Aber ich muss darum natürlich in meinem Alltag trotzdem auf nichts verzichten und auch sportlich nicht zurückstecken.
Direkt am Anfang fand ich es selbst extrem schwierig mit meiner Diagnose umzugehen. Innerhalb von einem Jahr hat sich das bei mir um 180 Grad gewendet. Ich habe gemerkt, dass es eben doch nicht so schlimm ist und ich trotzdem alles machen und schaffen kann. Diese Erkenntnis wollte ich in einem Kurzfilm festhalten und habe daraufhin meinen YouTube Kanal gestartet. Es hat mir selbst sehr geholfen, andere Geschichten zu hören. Darum möchte ich mit meiner Geschichte und meiner Motivation andere Menschen mit Typ-1-Diabetes inspirieren. Ich versuche vorzuleben, dass ein offener Umgang mit dem Diabetes, zumindest meiner Erfahrung nach, genau das richtige ist. In Nachrichten von meinen Abonnenten bekomme ich häufig gespiegelt, dass ich eine kleine Vorbildfunktion habe. Dieser versuche ich gerecht zu werden.
Copyright: privat
Heilung wäre natürlich cool (lacht). Im besten Fall wünsche ich mir, dass Vorbeugung und Prävention von Typ-1-Diabetes möglich werden, damit nicht noch mehr Menschen die Erkrankung bekommen. Das hätte definitiv den größten Effekt. Außerdem wäre es toll, den Alltag von Menschen mit Diabetes weiter zu erleichtern. Den Ansatz von smarten Insulinen finde ich beispielsweise sehr spannend. Also Insuline, die nur bei Bedarf wirken. Das wäre eine enorme Bereicherung für alle mit Diabetes. Oder eine bessere Komptabilität unterschiedlicher Diabeteshilfsmittel. Also eine Möglichkeit den Sensor, die Pumpe und einen Algorithmus nach Belieben zu kombinieren. Das ist leider aktuell noch nicht so einfach möglich, wäre aber praktisch. Allen, die bereits im Bereich Diabetes forschen und entwickeln möchte ich sagen: einfach weiter Vollgas geben!
Weil ich das Motto extrem gut finde und es einfach stimmt. Ein kleines Beispiel: ich wurde letztens zu einem Fußball-Camp eingeladen, bei dem Kinder mit und ohne Typ-1-Diabetes zusammen gekickt haben. Die Trainer dort haben mir erzählt, dass sich die Kinder mit Typ-1-Diabetes für ihr Alter reifer und verantwortungsbewusster verhalten. Sie unterstützen sich gegenseitig, wenn beispielsweise mal eine Insulinpumpe piept und sind beim Training disziplinierter dabei. Das beschreibt ganz gut, wie die K1ds an ihrem Alltag mit Typ-1-Diabetes wachsen. Eigentlich müsste es aber „K1ds mit Typ-1-Diabetes und ihre Eltern are Heroes“ heißen. Insbesondere bei kleineren Kindern finde ich so extrem bemerkenswert, was auch die Eltern leisten.
Meine Superkraft wäre Schnelligkeit. Damit könnte ich meinen Freunden in dringenden oder herausfordernden Situationen schnell unterstützend zur Seite stehen. Im Kontext Diabetes würde ich die Schnelligkeit dafür einsetzen, Insulin und andere Hilfsmittel, wie Katheter oder Sensoren, schnell dorthin zu bringen, wo die Versorgung nicht gewährleistet ist.
Ich bin immer wieder erstaunt, welche Einflüsse alle auf den Zuckerspiegel wirken. Was man isst, welche Temperatur die Umwelt hat, Stresssituationen, hormonelle Schwankungen – es sind sehr viele Faktoren, die man selbst gar nicht beeinflussen kann. Es ist ein extrem komplexer Mechanismus, bei dem an sehr vielen Ecken und Enden eigentlich immer nur etwas schieflaufen kann: Man misst dann entweder den Blutzucker mit einem Piecks am Finger oder den Gewebezucker mit dem Sensor. Diese Messwerte weichen teilweise schon stark ab, was es schwierig macht, den Sensor zu kalibrieren. Der Gewebezucker entwickelt sich außerdem verzögert zum Blutzucker, was es manchmal schwierig macht, perfekt zu reagieren. Zudem kann die Insulinpumpe Probleme machen. Zum Beispiel wenn Luftblasen im Reservoir entstehen und das Insulin nicht richtig durch den Katheter in den Körper laufen kann. Und das ist noch lange nichts alles. Dass wir es dennoch am Ende des Tages schaffen, den Blutzuckerverlauf unter Kontrolle zu behalten, das ist wirklich heldenhaft.
Ich bleib einfach beim Thema Diabetes: Dann wäre meine Superkraft den Diabetes heilen zu können, wenn jemand neu daran erkrankt. Und wenn das mit der Heilung nicht klappen würde, wäre es meine Superkraft den Leuten eine gewisse Leichtigkeit zu geben im Umgang mit der Erkrankung und nicht daran zu verzweifeln.
Ich bleib einfach beim Thema Diabetes: Dann wäre meine Superkraft den Diabetes heilen zu können, wenn jemand neu daran erkrankt. Und wenn das mit der Heilung nicht klappen würde, wäre es meine Superkraft den Leuten eine gewisse Leichtigkeit zu geben im Umgang mit der Erkrankung und nicht daran zu verzweifeln.
© Institut für Diabetesforschung – Helmholtz Munich 2023