Über Anette Ziegler:

Ich bin studierte Medizinerin, Internistin und Diabetologin. Neben meiner Tätigkeit als Ärztin begeisterte ich mich früh für die Welt der Wissenschaft und baute 1989 den Bereich Immunologie der Forschergruppe Diabetes am Klinikum Schwabing in München auf. Seit 2010 bin ich Direktorin des Instituts für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München und habe den Lehrstuhl für Diabetes und Gestationsdiabetes der Technischen Universität München, Klinikum rechts der Isar inne. Ich leite zahlreiche Studien zur Erforschung und Prävention des Typ-1-Diabetes und arbeite gemeinsam mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an einer Welt ohne Typ-1-Diabetes. Ich bin verheiratet und habe eine erwachsene Tochter.

Wenn ihr mir eine Frage stellen oder eure eigene Geschichte erzählen möchtet, schreibt gerne in die Kommentare unter meinem Blogbeitrag. Ich freue mich darauf, euch zu antworten!

Schritte zu einer Welt ohne Typ-1-Diabetes

Als ich mich für das Medizinstudium entschied, hätte ich nicht gedacht, dass mich die Diabetologie einmal so fesseln würde. Nun forsche ich schon seit vielen Jahren gemeinsam mit renommierten internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, um einen Weg zur Prävention von Typ-1-Diabetes zu finden. Nie hätte ich mir zu Beginn meiner Karriere erhofft, solch große Fortschritte innerhalb weniger Jahrzehnte zu erzielen. 

Typ-1-Diabetes ist eine bislang unheilbare Autoimmunerkrankung. Dabei greift das Immunsystem die körpereigenen Betazellen in der Bauchspeicheldrüse an und zerstört sie. Diese Betazellen sind dafür verantwortlich, Insulin zu produzieren, welches wiederum Zucker aus der Nahrung in die Zellen befördert. Der Vorgang ist lebensnotwenig. Denn die Zellen benötigen den Zucker für den Stoffwechsel. Fehlt er, wird stattdessen Fett abgebaut, was zu einer lebensgefährlichen Stoffwechselübersäuerung (Ketoazidose) führen kann. Ohne dem Körper jeden Tag durch Spritzen oder eine Pumpe Insulin zuzuführen, können Menschen mit Typ-1-Diabetes daher nicht leben.

Zusammen mit zahlreichen Forscherinnen und Forschern teile ich deshalb eine Vision:  das Immunsystem so zu therapieren, dass Typ-1-Diabetes gar nicht erst auftritt. Dazu müssen wir aber in der Lage sein, die Erkrankung in einem frühen Stadium zu diagnostizieren oder sogar vorherzusagen, wer mit erhöhter Wahrscheinlichkeit Typ-1-Diabetes entwickeln wird. Gerade in diesen zwei Bereichen hat die Wissenschaft Meilensteine des Fortschritts geschafft:

  1. Wir haben ein Testverfahren entwickelt, mit dem Typ-1-Diabetes erkannt werden kann, bevor überhaupt Symptome auftreten. Dazu überprüfen wir, ob sogenannte Inselautoantikörper im Blut vorhanden sind, denn mehrere davon deuten sehr stark auf eine Erkrankung hin. Diesen „versteckten“ Diabetes bezeichnen wir heute als Stadium 1 des Typ-1-Diabetes.
  2. Außerdem haben wir herausgefunden, dass dieses frühe Stadium sehr häufig schon in den ersten Lebensjahren auftritt. Das heißt, dass wir ein Alter identifiziert haben, bei dem eine Untersuchung besonders sinnvoll ist.
  3. Wir haben bestimmte „Empfänglichkeitsgene“ identifiziert, die besonders oft in Zusammenhang mit Typ-1-Diabetes auftauchen und konnten so einen Risikoscore entwickeln. Dieser Score erlaubt uns hilfreiche Vorhersagen darüber, ob eine Person mit großer Wahrscheinlichkeit erkranken wird oder nicht.

Diese Forschungserfolge ermöglichen es uns nun, klinische Studien durchzuführen, mit denen wir versuchen, Typ-1-Diabetes im Frühstadium aufzuhalten oder die Krankheit zu verhindern, bevor sie überhaupt entsteht.

Die bayernweite Studie „Fr1da“ und die Studie „Fr1dolin“ in Niedersachen beispielsweise untersuchen Kinder verschiedener Altersgruppen auf ein frühes Stadium von Typ-1-Diabetes. Dabei schulen und betreuen wir auch zahlreiche Eltern umfassend. Denn um den betroffenen Familien mit Rat und Tat beizustehen, geben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Studienzentren ihr Bestes. 

Kindern mit einem frühen Stadium von Typ-1-Diabetes bieten wir dann mit der „Fr1da-Insulin-Interventionsstudie“ eine Behandlung mit oralem Insulin an bzw. erhält die Hälfte der Teilnehmenden Placebo, da es sich ja um eine klinische Studie handelt. Beides wird in Pulverform täglich mit der Nahrung aufgenommen. Unser Ziel: Das Immunsystem soll das Insulin als ungefährlich erkennen und lernen, es nicht anzugreifen. So soll sich die fehlerhafte Autoimmunität zurückbilden.

Die Studie „POInT“ greift sogar noch deutlich früher ein. Sie prüft, ob eine prophylaktische Behandlung mit Insulinpulver bei Kindern zwischen vier Monaten und drei Jahren verhindern kann, dass Typ-1-Diabetes überhaupt entsteht. Behandelt werden dabei solche Kinder, bei denen wir zuvor mittels der Screening-Studie „Freder1k“ die bereits genannten Empfänglichkeitsgene festgestellt haben, die also ein stark erhöhtes Risiko für Typ-1-Diabetes besitzen. So war es auch bei unserem Teilnehmer 100.000, dem kleinen Arthur, dessen Eltern sich dazu entschieden hatten, die Möglichkeit des einfachen und kostenfreien Bluttests in Anspruch zu nehmen. 

Der kleine Arthur aus Sachsen ist Teilnehmer 100.000 der Freder1k-Studie

Wer Interesse hat, zu wissen, ob ein Frühstadium des Typ-1-Diabetes oder eine genetische Prädisposition vorliegt, kann sich in Deutschland testen lassen. Unabhängig von der Teilnahme an klinischen Studien, kann die Früherkennung dafür sorgen, dass ein versteckter Typ-1-Diabetes von Anfang an gut und auch rechtzeitig behandelt wird und lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisungen vermieden werden.

An dem Risikoscreening „Freder1k“ können in Bayern, Sachsen, Niedersachsen und Thüringen Babys bis zu vier Monaten teilnehmen. Die Fr1da-plus-Studie gibt es in Bayern für Kinder zwischen 2 und 5 Jahren sowie zwischen 9 und 10 Jahren. In Niedersachsen können Kinder zwischen 2 und 6 Jahren an Fr1dolin teilnehmen. Und: Bis zum Alter von 21 Jahren können sich deutschlandweit alle nahen Verwandten von Typ-1-Diabetikern auf das Frühstadium der Krankheit testen lassen.

Vorsichtig optimistisch stimmt derweil auch ein aktueller Erfolg des Studiennetzwerks TrialNet: Eine 14-tägige Antikörpertherapie mit Teplizumab verzögerte in einer Studie mit 76 Probanden den Ausbruch von Typ-1-Diabetes im Durchschnitt um zwei Jahre. Ich bin sehr gespannt, die Forschung auch an dieser Stelle weiter zu begleiten.

Sie sehen schon: Die Arbeit zur Prävention von Typ-1-Diabetes ist sehr vielfältig und auch vielversprechend. Schon heute profitieren unsere Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer von der guten medizinischen Betreuung und engmaschigen Überwachung. Wenn Sie sich näher informieren möchten, kontaktieren Sie uns gerne direkt. Ich würde mich sehr freuen, auch Sie bei der Suche nach der versteckten 1 und bei dem Einsatz für eine Welt ohne Typ-1-Diabetes an unserer Seite zu wissen. 

Prof. Ziegler und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München freuen sich über 100.000 Teilnehmer an der Freder1k-Studie