Zweimal Typ-1-Diabetes: Aus dem Leben einer besonderen Familie
Die Zwillinge Lars und Nils (9) haben beide Typ-1-Diabetes. Eine Herausforderung für die ganze Familie! Ihre Mutter Filizitas erzählt von der schweren Zeit nach der Diagnose und wie sie heute den Alltag meistern.
An welcher Studie nimmt Ihr Sohn am Institut für Diabetesforschung teil?
Unser Lars hat an der Fr1da-Studie teilgenommen. Sein Zwillingsbruder Nils war bereits an Typ-1-Diabetes erkrankt und bei Lars wurden dann ebenfalls Autoantikörper im Blut festgestellt.
Welchen Einfluss hat die Diagnose Ihrer Kinder auf Ihr Leben bzw. auf das Ihrer Familie z. B. Ernährungsumstellung?
Die Diagnose unserer Kinder hat unser komplettes Familienleben durcheinander gebracht!
Im Mai 2017 wurde Typ-1-Diabetes bei Nils diagnostiziert. Am Anfang war es für uns alle sehr schwer, das zu akzeptieren und damit umzugehen. Angst, Wut und Verzweiflung war die Reaktion. Ein normales Familienessen war nicht mehr möglich. Wir mussten plötzlich auf so vieles achten: Blutzuckerwerte messen, Essen abwiegen, Kohlenhydrateinheiten ausrechnen, über die verschiedenen Ergebnisse diskutieren, den Pen vorbereiten, Spritzen, usw. Außerdem mussten wir unser hungriges Kind beruhigen, der einen Spritz-Ess-Abstand einhalten musste, während der große Bruder bereits aufgegessen hatte und der Zwillingsbruder Lars (der damals noch keinen Typ-1-Diabetes hatte) bereits seinen Nachtisch essen durfte. Als wir unsere Söhne in einem Sportverein zum Trampolinhüpfen anmelden wollten, fragte man uns nach einer ärztlichen Bescheinigung. Also kauften wir uns ein eigenes Trampolin für den Garten, damit die Jungs hüpfen konnten wann immer die Blutzuckerwerte passten.
Was hat Sie am meisten geängstigt/besorgt nach der Diagnose?
Nach der Diagnose haben wir uns große Sorgen gemacht, wie wir das alles im Alltag schaffen sollten: das Berechnen der Kohlenhydrateinheiten beim Essen und was alles bei Komplikationen passieren könnte. Wir hatten Angst vor den Folgeschäden und ganz besonders große Angst hatten wir, dass unser Kind an einer schwerwiegenden Stoffwechselentgleisung (Ketoazidose) sterben könnte.
Wie war es für Sie und Ihre Familie, als klar war, dass nicht nur eines Ihrer Kinder, sondern sogar zwei an Typ-1-Diabetes leiden?
Da wir eineiige Zwillinge haben und die Wahrscheinlichkeit sehr groß war, dass auch Lars an Diabetes erkranken würde, wurde uns ein Bluttest angeboten, um herauszufinden, ob auch bei ihm bereits Autoantikörper im Blut festgestellt werden können. nach langem Hin- und Herüberlegen haben wir uns dann dazu entschlossen, den Test zu machen und erfuhren, dass auch Lars Typ-1-Diabetiker ist. Das hat unsere Familie nochmal aufgewühlt, aber für kurze Zeit auch wieder zusammengeschweißt. Denn diesmal waren wir vorbereitet, geschult und wussten mit der Erkrankung umzugehen. Gesagt haben wir es Lars nach Rücksprache mit einer Kinderpsychologin beim Eis essen. Lars sagte: "Ja, okay" und zuckte mit den Schultern. Für Nils war es besonders schön, dass er nicht mehr der einzige in der Familie war mit dieser Erkrankung. Er meinte: "Jetzt sind wir wieder echte Brüder!"
Welchen besonderen Herausforderungen mussten Sie sich mit Ihrer Familie stellen?
Wir mussten einen langen Kampf mit der Krankenkasse austragen. Außerdem gab es immer wieder Schwierigkeiten, die Insulineinstellung vorzunehmen. Wir nutzten alle Möglichkeiten, folgten jedem Rat, um als Familie mit der Situation gut umzugehen, jedoch wurden uns immer wieder Steine in den Weg gelegt.
Als wir im Oktober 2018 die Diagnose für Lars erhielten, wurde uns von der offenen Ganztagsschule (OGS) eröffnet, dass Lars nun das dritte Kind in der Betreuung mit Typ-1-Diabetes sei und dies zu viel Aufwand wäre. Die Mitarbeiterin wollte die Verantwortung nicht übernehmen. Wir hätten als Eltern in der Mittagszeit zum Abwiegen des Essens vorbeikommen müssen. Da wir beide Vollzeit beschäftigt waren und dies nicht möglich war, musste ich meine Arbeitszeit verringern und die Ganztagsschule kündigen, um mich selbst um das Essen der Kinder zu kümmern. Es war wieder ein großer Einschnitt für unser Familienleben. Wir hatten weniger Geld zur Verfügung, mussten uns eine günstigere Wohnung suchen und als Eltern wieder mehr Aufgaben übernehmen. Seitdem Lars und Nils an Typ-1-Diabetes erkrankt sind, hat sich eigentlich alles in unserer Familie verändert: Ernährung, Berufsleben, Partnerschaft, Umzug, Schulwechsel und Familienleben.
Was wünschen Sie sich von Ihren Mitmenschen in Bezug auf den Umgang mit Typ-1-Diabetes?
Wir wünschen uns von den Mitmenschen mehr Verständnis, Rücksichtnahme, Beteiligung am normalen Leben, bessere Informationen, eine bessere Aufklärung und vor allem auch, dass die Ausgrenzung ein Ende hat.
Wieso haben Sie sich dafür entschieden, Ihr Kind an der Fr1da-Studie am Institut für Diabetesforschung des Helmholtz Zentrums München teilnehmen zu lassen?
Wir haben Lars an der Studie teilnehmen lassen, weil es nichts Schlimmeres gibt als nichts zu tun. Wir wollten den Ausbruch der Erkrankung verzögern oder verhindern und der Forschung helfen, etwas zu finden, damit nicht noch mehr Kinder an Typ-1-Diabetes erkranken. Den Hinweis zur Fr1da-Studie in Bayern erhielten wir damals von Mitarbeitern der Kölner Kinderklinik, die uns auch ermutigten, bei der Studie mitzumachen. Die Teilnahme an der Fr1da-Studie gab uns Kraft, Hoffnung und Zusammenhalt. Deshalb danken wir den Mitarbeitern vom Helmholtz Zentrum München. Wir sind generell allen Medizinern sehr dankbar für den allgemeinen Fortschritt und die Möglichkeiten der medizinischen Versorgung. Denn ohne die Forschung und den Einsatz von Medizinern würden unsere Zwillinge gar nicht mehr leben.
Wie läuft es mittlerweile mit der Ernährung der Zwillinge?
Lars und Nils essen alles was sie wollen und wenn es wegen zu hoher Blutzuckerwerte nicht geht, dann zaubere ich ein leckeres Essen ohne Kohlenhydrate. Das Essen wird vorher abgewogen, die Kohlenhydrateinheiten berechnet (oder mutig geschätzt) und dann wird gemeinsam gegessen.
Was möchten Sie anderen Betroffenen gerne mit auf den Weg geben?
Typ-1-Diabetes? Na und! Damit kann man alles machen, was man will, solange man bestimmte Regeln beachtet und im Leben ausgeglichen und entspannt ist.
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